06/2016
Blogpost bei Millions of Peaches im Juni 2016

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Millions of Peaches
---- Lesedauer ---
8 min
ZUM ORIGINALBEITRAG

Hallo, ich bin Mignon.

Salut, je suis Mignon.

Zumindest die letzte Version meiner Vorstellung reizt jeden Französisch sprechenden zum Lachen. Tat es. Mein Sohn hatte einen Austauschschüler zu Gast, Theo. Die jungen Leute saßen mit französischen und deutschen Freunden in seinem Zimmer unterm Dach gemütlich beieinander und übten beharrlich mit ihnen den schwäbischen Satz: „Hoch de Kolbe, nei de Zinke, morgen musch du Wasser trinke“. Große Heiterkeit ob der französisch gefärbten Sprachversuche.

Ich platzte dazwischen ins Zimmer hinein und stellte mich ihnen vor. „Salut, je suis Mignon!“  Amüsierte Blicke und verhaltenes Gelächter bei den Franzosen. Wie ist die denn drauf? „Ich bin süß!“ hatte ich ihnen gerade offenbart. Denn das bedeutet der Name Mignon: süß, niedlich, zärtlich, klein und lieb. „Je m’appelle Mignon“ wäre in diesem Fall sinnbringender gewesen.

Darf ich mich vorstellen?

Meine Mutter, Goetheleserin und Opernliebhaberin, gab mir diesen Namen. Ich bin tatsächlich nicht besonders groß – doch lieb, süß oder niedlich? Auf jeden Fall bin ich… ja, wer oder wie eigentlich? 52 Jahre alt, mit roten Haaren, grauen Augen und einem Grübchen links im Gesicht. Niedlich? Eher nicht…  Nein. Im Mittelalter hätte man mich vermutlich als Hexe verbrannt. Große Klappe. Aktiv, ein Wirbelwind mit vielfältigen Interessen, eigener Meinung und einem denkenden Kopf zwischen den Schultern.

Niemand verbietet mir den Mund. Ich mag nicht fremdbestimmt werden. Doch ich bin auch ein Harmoniemensch und habe es am liebsten, wenn sich alle gut vertragen. Und ich kann mit jedem.  Manchmal bin ich tatsächlich lieb. Ich spüre Untertöne und höre “das Gras wachsen”. Das macht es nicht immer einfacher.

Ich bin ein Winterkind, nämlich Steinbock mit Aszendent Krebs; seit 23 Jahren verheiratet mit der großen Liebe meines Lebens (Krebs mit Aszendent Steinbock – passt), Mutter zweier fast erwachsener, wunderbarer Söhne und bekennende Christin. Eine bücherverschlingende Leseratte mit einer gehörigen Portion Musik im Blut und eine Rosenliebhaberin, die jede Laus zwischen den Fingern zerdrückt, die die grünen Blättchen und herausschiebenden Knospen zerfressen will.

Eine, die den Umgang mit Menschen liebt und deshalb Erzieherin wurde. Ich bin halsstarrig, dickköpfig und kann ein echter Stinkstiefel sein, doch ich bin auch lebensbejahend, humorvoll und, ich denke und hoffe, eine gute Gesprächspartnerin.

Ich treffe gerne mit Menschen zusammen und genieße dennoch das Alleinsein. Trotz meiner 52 Lebensjahre immer noch ein wenig “gaga” im Kopf. Geradlinig und zielorientiert und dennoch ein schräger Vogel…

Und – eine Rheumatikerin…

Meine Geschichte

Das Rheuma schlich sich mit leisen Schritten, auf Samtpfötchen, in mein Leben und versuchte, es mir wegzunehmen. Es nahm mir sukzessive meine Stimme, meine Musik und die geliebte, entspannende Gartenarbeit weg. Den Sport, das Joggen und vor allem das Skilaufen. Es versuchte, mir neben der Leistungsfähigkeit meines Körpers, meinem Aussehen und meiner Beweglichkeit, auch meine Seele zu nehmen. Irgendwann war der Schmerz so übermächtig und unerträglich, dass ich mich zurückzog, mich abkapselte und alles aus der Hand gab.

Ich wurde als Allergikerin geboren, mit Nahrungsmittelunverträglichkeiten und heftigen Reaktionen auf Pollen, Gräser, Insektenstiche und vieles mehr. Damit hatte ich mich längst arrangiert. Doch darauf folgten Herpesinfektionen, die ewigen Mandelentzündungen, Histaminintoleranz und eine Schuppenflechte im Schlepptau der Neurodermitis. Gliederschmerzen und Gelenkentzündungen, die mich ausknockten und zur Bewegungslosigkeit verdammten. Ich war ständig krank und kaum belastbar.

Antibiotika, Cortison, homöopathische Heilmittel, Diäten und Ausleitungen; Nahrungsumstellungen, Verzicht, Training und, und, und. Arztbesuche, Heilpraktiker und Physiotherapeuten. Es war eine nicht enden wollende Odyssee…

Nichts knechtete mich mehr als die Erfolglosigkeit meiner Bemühungen und Konsultationen. Nach Hause geschickt zu werden mit den Aussagen: „Sie sind gesund! Bewegen sie sich mehr! Nehmen sie ab! Das sind die Wechseljahre! Machen Sie eine Psychotherapie! Die Krankheit sitzt in ihrem Kopf!“ Das war das Schlimmste! Keinen Satz hasste ich mehr.

2011, nach vielen Jahren verschiedenster Behandlungen und Ärztemeinungen, nach unsäglichen Schmerzen und herben Rückschlägen, erhielt ich die Diagnosen: Fibromyalgie und Psoriasis Arthritis.

Endlich fand man einen Namen für meine Beschwerden!

Erklärung der Krankheitsbilder

Die Fibromyalgie ist ein Weichteilrheuma, eine Muskelfasererkrankung. Sie ist glücklicherweise nicht entzündlich und verursacht keine Gelenkzerstörungen. Doch sie ist sehr schmerzhaft und äußerst schwer behandelbar. Viele Patienten werden mit Psychopharmaka zugedröhnt. Diese erledigen den Rest – zerstören Geist und Seele der Schmerzgeplagten. Studien belegen, dass Fibromyalgie die kleinen Nervenfasern zerstört, die für Schmerzempfinden und Schmerzleitung verantwortlich sind. Und tatsächlich sind Entzündungen im Gehirn wohl der Auslöser dafür. Also doch im Kopp.

Die Psoriasis Arthritis (Schuppenflechte mit Gelenkbeteiligung oder kurz PSA) hingegen, ein chronisch entzündliches Gelenkrheuma, verursacht Entzündungen und damit massive Schäden an den Gelenken. Mittlerweile bin ich, zumindest was die PSA anbelangt, mit einem Biological gut eingestellt. Ich erreichte eine Remission, der schwere Verlauf wurde gestoppt. Die Schübe verkürzten sich damit auf wenige Tage, die Abstände dazwischen sind verzögert.

Eine Psychotherapie half mir, mit meinen Schmerzen gut umzugehen, achtsam auf mich und mein Umfeld zu sehen. Ich eroberte mir mein Leben zurück. Ich bin wieder da! Meine Erkrankung sitzt nicht in meinem Kopf! Sie ist genetisch bedingt. Und damit widersetzt sie sich vielen Behandlungsansätzen.

Mein Fels in der Brandung

Meine Familie, meine Freunde und die Menschen in meiner Gemeinde halfen mir, den Mut nicht zu verlieren! Ich erlebte meinen Glauben an Gott in vielen Situationen.

Heute sehe ich überdeutlich: Die Erkrankung war meine Chance! Höchste Zeit, mich zu verändern, den Standpunkt zu wechseln und eine neue Sichtweise auf die wirklich wichtigen Dinge des Lebens zu bekommen. Ich griff mit beiden Händen zu!

Mein Buch

In meinem Buch „Nach Oben oder Morgen Ist Alles Gut, Ein etwas anderes Leben mit Psoriasis Arthritis und Fibromyalgie“ schrieb ich meine Erfahrungen nieder. Es erschien 2015 im Tredition Verlag und ist als Druckversion und als eBook in allen Buchhandlungen erhältlich.

Es ist nicht süß. Es ist nicht niedlich. Nein – ebenso wenig wie ich. Es ist ehrlich und direkt und verleiht all jenen Betroffenen eine Stimme, die keine Worte mehr finden, um sich zu erklären. Es ist sarkastisch, ein wenig zynisch und trotzdem humorvoll und hält manchen Ärzten den Schneewittchenspiegel vor, in dem sie sich ungern sehen.

Entscheide selbst, wie süß, niedlich oder klein ich bin…

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