
Die mir am meisten gestellte Frage lautet wohl: „Wie kommst du dazu, ein Buch zu schreiben?“
Tja, auch jetzt noch – nach mehreren veröffentlichten Büchern – frage ich mich das mitunter selbst. Es ist ja nicht so, dass man sich hinsetzt, in weinseliger Stimmung ein bisschen in die Tasten kloppt, nach einem Kopf-Erguss die Blätter auf den Tisch haut und sagt: „So, da habt ihr‘s! Demnächst steh ich ganz oben auf der Bestsellerliste und verdiene ein Schweinegeld.“
Bücher schreiben läuft ganz anders …
Ich mag Ihnen erzählen, wie ich zum Schreiben gekommen bin:
Der Auslöser war ein schmales Bändchen über eine rheumatische Erkrankung. Ich hab’s gelesen, mein Mann hat’s gelesen und wir waren uns einig, dass die Verfasserin ein wichtiges Thema ankratzt. Eins, das uns berührte und Fragen stellte, denen ich mich ebenfalls stellen musste. Ich ertappte mich dabei, dass ich während meines Tagesgeschäfts im Kopf Sätze, Überschriften und Kapitel formulierte; kurzum – ich fasste mein Leben in Worte. Und eines Abends setzte ich mich hin und begann sie aufzuschreiben.
Erst als ich fast fertig war, brachte ich den Mut auf, meinem Sohn davon zu erzählen. Schließlich war es eine Geschichte, die uns als Familie betraf; die darstellte, was wir erlebt hatten und uns in einen Focus rückte, den sie mittragen musste. Das war eine große Nummer. Wären mein Mann und er nicht gewesen – der Aufschrieb hätte niemals das Haus verlassen. Meine Familie spürte, wie wichtig es mir war, mit meinen Erfahrungen an die Öffentlichkeit zu gehen. Und so entstand aus den persönlichen Aufzeichnungen mein erstes Buch: NACH OBEN – Ein etwas anderes Leben mit Psoriasis Arthritis und Fibromyalgie oder Morgen ist alles gut.
Von der Entscheidung bis zur Veröffentlichung dauerte es noch etliche Monate. Das Werk musste von Ärzten gegengelesen werden, um keine unrichtigen Informationen darzustellen; Menschen, die ich namentlich nannte, mussten einverstanden und sich der eventuellen Reichweite bewusst sein. Das alles galt es abzuklopfen, Empfindlichkeiten zu berücksichtigen, Privatsphäre zu achten. Und dann: Wo sollte ich verlegen? Wer erstellt mir ein aussagekräftiges Cover? Und überhaupt: Wie macht man ein Layout? Fragen über Fragen, in die ich mich einarbeiten musste. Für ein professionelles Lektorat hatte ich kein Geld, gefühlte tausend und tausend Mal lasen wir und übersahen dennoch die blödesten Fehler. Doch endlich, am 8. September 2015 erschien NACH OBEN bei Tredition Verlag. Ich war jetzt eine Autorin und eine Selfpublisherin. Als ich die erste gedruckte Ausgabe in den Händen hielt, war das ein unbeschreibliches Gefühl. Ich hatte einen verrückten Gedanken, ein wahnwitziges Projekt zu Ende gebracht!
Und dabei war das erst der Anfang …
Die Rückmeldungen waren unglaublich. NACH OBEN erhielt positive Rezensionen und erreichte in Kreisen Betroffener eine hohe Akzeptanz. Nachdem ich eine Zeitlang mit eingezogenem Kopf auf die Keule, sprich den Verriss, wartete und er nicht kam, schrieb ich weiter. Ein Jahr später erschien BÄHMULLE: Morgen ist alles gut 2.0 oder Rheuma? Na Und…, ebenfalls bei Tredition Verlag. Keineswegs mein allerbestes Buch, doch eines, das die Person Mignon Kleinbek in anderen Facetten zeigt, nicht nur meine Erfahrungen mit der Erkrankung. Und tatsächlich erlaube ich mir in BÄHMULLE einen kritischen Blick auf manches, was man Betroffenen mitunter so entgegenbringt. Wieder war es eine Sisyphos-Aufgabe mit allen Höhen und Tiefen. Ich hatte endlose Probleme mit dem Konvertieren und Hochladen beim Verlag. An einem Samstagmorgen saß ich vor meinem Laptop und heulte, weil ich das Manuskript versehentlich überschrieben hatte und nicht mehr an das Original kam. An diesem Tag war ich kurz davor, meine Schreiberling-Karriere hinzuschmeißen.
Zum Glück tat ich es nicht! Denn parallel zu den Rheumabüchern schrieb ich bereits an einem neuen Buch, dieses Mal etwas ganz anderes – eine Geschichte aus dem belletristischen Genre. Im Sommer 2017 nahm ich ein weiteres Mal meinen ganzen Mut zusammen und schickte auf Drängen meines Mannes das Manuskript für WINTERTÖCHTER. DIE GABE an drei Verlage. Ich erhielt drei Zusagen. Das warf mich um! Mittlerweile kannte ich etliche Autoren und wusste, dass es fast aussichtslos ist, bei einem renommierten Verlag unter Vertrag zu kommen. Ich traute mich noch nicht, groß zu denken, aber natürlich träumte ich davon. Wer tut das nicht?
Die Entscheidung für pinguletta Verlag erfolgte aus einem Bauchgefühl heraus und im Vertrauen auf Gott. Auch wenn Ihnen das vielleicht befremdlich erscheint, ich glaube an Gott und bin überzeugt davon, dass er meine Wege gut lenkt. Im Buchgeschäft ist ein gerader Weg ohne Hürden nicht selbstverständlich; bisher durfte ich erleben, dass sich Türen auftaten, mit denen ich nie rechnete. So war es auch mit der Verlagsfindung.
Im Juli 2017 begann meine Zusammenarbeit mit pinguletta. Ich erhielt ein Textlektorat und schon bei der ersten Überarbeitung des Manuskripts betrat ich wieder neues Land. Hatte ich mich bis dahin für ganz gut in Deutsch gehalten, so lernte ich nun dazu. Lernte, dass es heißt: Er zuckte mit den Achseln und nicht mit der Achsel. Ist ja auch logisch. Dass in der Aufzählung eine Farbe, die näher am Subjekt steht, kein Komma bekommt und es Kongruenzen nicht nur in der Mathematik gibt; dass längere Rückblenden lediglich am Anfang und Ende im Plusquamperfekt stehen. Doch anscheinend zündete die Geschichte, bereits im November erschien WINTERTÖCHTER.DIE GABE bei pinguletta und den Lesern gefiel sie. (Mir ja auch und ich schreibe nur, was ich selbst gern lesen würde.) Von da an ging es Schlag auf Schlag. November 2018 folgte Teil zwei der Österreich-Saga WINTERTÖCHTER. DIE KINDER und Oktober 2019 der Abschluss WINTERTÖCHER.DIE FRAUEN. Die Presse schreibt: Ein Roman wie ein Sog …
Annas Geschichte ist für mich etwas Besonderes, immer noch. Über drei Jahre entstanden, ist sie eine Trilogie geworden, die sich keinem Genre so richtig zuordnen lässt. Ich bezeichne sie gerne als Generationengeschichte, doch sie hat auch Züge eines Kriminalromans. Mit „Blut und Tränen“ kommt man nah dran, doch diese Schublade gibt’s nicht. WINTERTÖCHTER ist eine Geschichte über Missbrauch und Schweigen, ebenso eine kleine Studie über Mütter und Töchter und die Beziehung unter Schwestern. Da kann ich durchaus mitreden, denn ich habe zwei Schwestern. Darüber hinaus ist sie spannend, gut recherchiert, in vielen Zügen düster und melancholisch. Eine Erzählung, die gerade so geschehen sein könnte … Und fragen Sie mich nicht, wie ich auf die Gabe des Schmeckens kam! Ich weiß es nicht mehr, es war eine Idee des Augenblicks, doch ich finde, sie gibt der Erzählung eine eigene Würze.
Mittlerweile nenne ich mich nicht mehr Autorin, sondern Schriftstellerin. Schließlich verfasse ich nicht Texte, nein, ich erfinde sie, schöpfe in meinem Innersten so lange, bis die Hand von selbst schreibt. Die Arbeit ist zu meiner täglichen Aufgabe geworden. Ich schreibe jeden Tag mehrere Stunden, recherchiere, lese mir neues Wissen an. Besuche die Orte, die ich verwenden möchte und verschaffe mir ein Bild; versetze mich in die Personen, drehe und wende sie bis zu dem Moment, in dem jede ihr persönliches Profil besitzt. Wenn die Stimmen in meinem Kopf echt sind, wenn ich die Menschen wahrhaftig vor mir sehe und Dialoge träume, wenn ich weiß, wo die Erzählung beginnt und wo sie hinführt – dann setze ich mich hin und beginne zu schreiben. Bis dahin ist es ein langer Prozess. Fast ebenso lang und intensiv wie das Schreiben an sich.
Schreiben passiert nicht so nebenher; es erfordert ein hohes Maß an Konzentration, an Beharrlichkeit und Struktur. Darüber hinaus an Selbstreflektion und Kritikfähigkeit. Passt eine Sequenz nicht, muss sie umgearbeitet oder auch mal gestrichen werden, auch wenn‘s weh tut. Und es tut weh, glauben Sie mir. Es gibt Tage, da arbeite ich nur meine Listen ab. Wo sind noch offene Handlungsstränge, wo läuft ein Satz, ein Gedanke ins Leere? Wo pflanze ich klammheimlich den Samen, der viel später die Handlung noch einmal dreht? Am liebsten lasse ich meine Protagonisten ja an den unmöglichsten Stellen sterben; es macht Spaß, mir vorzustellen, dass der Leser dann ganz tief durchatmet und sich ernsthaft fragt, wie das jetzt weitergehen soll. Da darf mir kein Logikfehler unterlaufen, sonst ist die Story abgewürgt. Doch Phantasie, davon hab ich mehr als genug, und es sind noch viele Geschichten in meinem Kopf.
Wissen Sie, ich kann gut Geschichten erzählen. Es ist das, was ich immer tun wollte. Bücher sind stets ein Teil meines Lebens gewesen und gäbe es keine, würde mir etwas Bedeutsames fehlen. Sich von einer Erzählung entführen zu lassen, hat etwas Magisches. Hatten Sie nicht auch schon einmal das Gefühl, einen guten Freund verabschieden zu müssen, wenn die letzte Zeile gelesen war? Sind Sie nicht auch schon in einem Buch versunken, in fremden Welten gewandert und in die Haut anderer Menschen geschlüpft? Das ist eine wunderbare und bereichernde Erfahrung.
Und so wünsche ich mir, dass ich Sie für mein Tun begeistern kann, dass Sie sich meinen Erzählungen überlassen und sich ihrem Sog hingeben. Und wenn Sie sich darin wiederfinden, Sie berührt sind – dann ist es mir eine Freude und eine Ehre!
Meine Geschichten gehen unter die Haut, ich verspreche es.
Denn Bücher lesen heißt wandern in ferne Welten, aus den Stuben und über die Sterne.
Kommen Sie mit mir …